Geistliches Wort zum Osterfest von Pater Thomas Fluhr
Bei der Restaurierung eines gotischen Kruzifixes aus dem ehemaligen Schottenkloster in Regensburg machte man im April 1991 eine sensationelle Entdeckung: Im Hinterkopf der Figur des Gekreuzigten fand man in einem Hohlraum ein Reliquiar in Schmetterlingsform.
Die feuervergoldete Emailarbeit aus Silber zeigt die Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes. Das gesamte Kunstwerk ist nur 3 mal 5 cm groß und in der Zeit um 1310/1320 entstanden.
Nicht nur die Schönheit des Kleinods fasziniert, sondern auch seine Bedeutung in der Verbindung von Todesdarstellung und Schmetterlingsgestalt.
Sinnbild der Verwandlung
Schon im Altertum und in der Zeit der frühen Christen war der Schmetterling Sinnbild der Verwandlung vom Tod zum Leben. Christus, der die Erfahrung der Dunkelheit gemacht hat bis hin zum gewaltsamen Tod am Kreuz, durchbricht die Grenzen des Todes und wird von Gott zu neuem Leben auferweckt. Symbolisch gesehen hatte Christus in dieser Darstellung seine Auferstehung „schon im Hinterkopf“. Metamorphosen, Verwandlungen, haben etwas Faszinierendes an sich. Aus der kleinen unansehnlichen Raupe wird ein geflügeltes Kunstwerk. In den Entwicklungsstadien des Schmetterlings haben sich die Menschen oft wiedererkannt. Verpuppung, Erstarrung, Wandlung und Entfaltung als Phasen der Veränderung sind Metaphern, die sinnbildlich für das Erleben der eigenen Seele stehen können. Manchmal sind es leise, stille unspektakuläre Prozesse, kaum zu merken für die eigene Umgebung. Andere Male sind es große Veränderungen und Umbrüche, vielleicht schmerzhaft und tränenreich, oft auch ersehnt und erwartet.
Auch das Geheimnis von Ostern ist so ein Geschehen einer Metamorphose. Der gewaltsame Tod Jesu durchbricht die Grenzen des Todes. Der Tod ist nicht mehr das Ende, sondern wird in neues Leben verwandelt. Wir alle sind in Jesus Christus dazu berufen, so unser Glaube.
Offen sein für mehr Leben
Sich wandeln lassen, offen sein für Neues, für mehr Leben für ewiges Leben. So wie die Schmetterlingsraupe und -puppe dazu bestimmt sind, aus dem Dunkel herauszutreten, sich zur Entfaltung zu bringen, so sind auch wir berufen, uns zu entfalten mit all den Möglichkeiten, die in uns stecken. Menschen, die diesen Weg gegangen sind – manches Mal durch tiefe Dunkelheit und schmerzhafte Kreuzeserfahrungen –, besitzen oft eine große Ausstrahlung und innere Freiheit. Jemand ist wie verwandelt, sagen wir. Menschen, die nicht am Buchstaben des Gesetzes hängend, sondern sich der Hoffnung und der Liebe verpflichtet wissen, werden die Tiefe und Weite des Lebens selbst intensiv spüren und andere erfahren lassen.
Christus ist gekommen, um uns aus allen sinnlosen Einengungen zu befreien. Leben in Fülle bietet er an, wenn wir uns verwandeln lassen von ihm. Christus ist vom Tod erstanden. Ja, er ist wahrhaft auferstanden. In ihm werden auch wir auferstehen, werden hineinverwandelt in ein neues, ewiges Leben.
Fragen für das Paargespräch:
- Welcher Gedanke aus dem Text spricht mich besonders an?
- Wo erleben wir in unserem Alltag die Herausforderung, dass Veränderungen anstehen / anstanden und wir offen für Neues sein möchten?
- Auf der Suche nach unserer Berufung als Paar: Wo erleben wir, dass wir gebraucht werden und wir unsere Erfüllung finden?